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Dr. Hermann Schuchard - KrisenManagement
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TV-Dialog H. & E. Schuchard/t
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H. Schuchard/t & Hephata – Band I & II
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Stammbaum Diakonie/ Ahnen
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1.InklusionKirche Hephata/EKD
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User-Echo - Rezensionen und Kommentare
User-Echo Rezens./Komm.

TV-Dialog Hermann & Erika Schuchard/t

1. Herrmann Schuchard/t in Illustrationen von Burkhard Mohr

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2. Herrmann Schuchard/t im Urteil von • Zeitzeugen • Biographen • Künstlern

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4. Herrmann Schuchard/t und Hephata in • Bild • Wort • Ton

Galerie 1: G r ü n d e r Dr. H. Schuchard – (vorab eingeschoben) Porträts/Illustr. 60-93
• 1. Diak.Zentrum • 1. Bruderschaft • 1. VHS • 1. Politik-Beauftragter

Galerie 2: L e b e n im Hermann Schuchard Hephata 758-793
• Wohn-/Lernorte • Arbeitsstätten • Freizeitplätze

Galerie 3: L e r n e n im Hermann Schuchard Hephata 794-825
• Förder-/Schulorte • Werk-/Ausbildungsstätten • Freiluftstätten

Galerie 4: F e i e r n im Hermann Schuchard Hephata 826-857
• Loben • Danken • Feiern in Kirche & Festhalle + Natur

5. Basistext zum TV-Interview RPP / ORF Wien

B Bilder ILL Illustrationen ● F Foto ● G Grafik ● V Veröffentlichung als Thumbnails

TV 1 ● Bilder F+ILL, Band I, S. U1

RPP Lakonig

Frau Professor Dr. Schuchardt: ich bin aus Wien zur Autorin nach Hannover angereist, um mit Ihnen über die neue Doppelbandstudie: Hermann Schuchard und Hephata zu sprechen.
(TV 2 ● Bild V, Titel Band I und Band II, je S. U1 + U4)

– Sie sind gebürtige Hanseatin, Sie lehren an der Leibniz Universität Hannover, Lehrstuhl Bildungsforschung und Erwachsenenbildung, und Ihr Vorfahre Hermann Schuchard gründete in Hessen das Diakoniezentrum Hephata ≈ öffne dich für in Not geratene Menschen am Rande der Gesellschaft.
Meine Frage: Sie, Frau Schuchardt, sind mit Literaturpreisen und Ehrungen für Ihre Projektarbeit zur Integration und Migration ausgezeichnet worden, jüngst auch mit dem Europapreis als Friedensbotschafterin (TV 4 ● Bild V Europapreis

der ungarischen Stiftung Gloria Victis – für Ihr Beethoven-Friedensbotschaftsbuch zum Gedenken an die 100 Millionen Opfer des Weltkommunismus. Da stellt sich mir spontan die neugierige Frage:
W e r war Hermann Schuchard? Was verbindet ihn und Inklusion? W a s hat Sie, Frau Professor Dr. Schuchardt, zur Hephata-Studie motiviert? – Wenn die Zeit ausreicht, würde ich auch gern noch die provozierende Zusatzfrage stellen:
Ist es nicht riskant, Ihren Vorfahren zu erforschen? Da ist doch der Vorwurf der Hagiographie geradezu vorprogrammiert!

Prof. Dr. E. Schuchardt

Schön, dass Sie, Herr Lakonig, vom Wiener Sender RPP zu mir gekommen sind und es wissen wollen: Wer war Hermann Schuchard und Hephata? Das ist in der Tat eine spannende Geschichte! Aus ihr erschließt sich die Beantwortung Ihrer berechtigten kritischen Frage nach meiner Motivation nahezu automatisch ganz von selbst.

Darf ich provozierend zurückfragen?

W e r war Hermann Schuchard eigentlich n i c h t ?
Nach jahrzehntelanger Forschungsarbeit als Autorin der zweibändigen Studie Hermann Schuchard und Hephata, erstrahlt vor mir das Bild, zutreffender das Symbol, eines Kaleidoskops. Ob Sie sich daran noch aus Ihrer Kindheit erinnern können?
Für mich ein Lieblingsspielzeug: Aus 1000 sich spiegelnden Blickwinkeln veränderte sich in Bruchteilen von Sekunden die Welt, fast wie beim Tauchen auf dem Meeresgrund, eröffnet sich die faszinierende Pracht funkelnder Glaskristalle, verzaubernder Bilder, befreiter Visionen, ungeahnter Träume und grenzüberschreitender, innovativer Zukunftsideen.

Dieses Kaleidoskop symbolisiert für mich vor allem eines: Hermann Schuchards „diversity„, um es mit einem Modewort zu sagen: seine schier unglaubliche Vielfalt. Was das nun aber ganz konkret bedeutet, darauf gehe ich gern im Anschluss ein. Zunächst aber zur Beantwortung Ihrer Frage.

W E R also war Hermann Schuchard?

Ein Herkules der Arbeit! Mehr als das, der Herkules-Architekt der wohl ersten Inklusions-Brücke schon vor 130 Jahren im Hessenland
(TV 7/TV 8 ● Bilder F, Band. II, S.762/763):

Er verwandelte ein Haus in eine Stadt und vergrößerte die von ihm gerettete Anstalt Hephata ausgeweitet auf 50 Standorte im Hessenland in fast 30 Jahren um das 40-fache:
Ein Fels in der Brandung! Ein Seismograph der Seelen! Für alle der Vater!

Damit komme ich zurück zu Ihrer Zusatzfrage:
W A S war mein Motiv als Autorin zur Hephata-Studie?

Ob Sie, liebe Zuschauer, sich vorstellen können, welche Entdeckerfreude ich empfand, als ich im Rahmen meiner Forschung auf Hermann Schuchards Leben und Wirken gestoßen bin: Ein Leuchtfeuer der Hoffnung und Glaubensstärke in aktuell unsicheren Zeiten schwer lastender Dunkelheiten.
Da wollte ich mich verantwortlich auch persönlich der Herausforderung stellen: Ganz konkret dem aktuell anwachsenden, mediengestützten, vorrangig e i n-seitigen Negativbild der von Missbrauchsskandalen gebeutelten Kirche das demokratische, ‚komplementäre‘, b e i d – seitige, ganzheitliche Bild glaubensstarken Christ-Seins gegenüberstellen. Analog, wenn man so will, zu einem bekannten TV-Slogan: „Nur mit dem Zweiten sieht man besser!
Das Beispiel Hermann Schuchards – als Visionär, Kämpfer, wagemutiger Reformer, gottvertrauender Retter – entzündet das Leuchtfeuer glaubensstarken Handelns zukunftsorientiert neu im öffentlichen Bewusstsein, vorausgesetzt, dass man ihn kennt bzw. im Licht der Gegenwart an ihn erinnert und ihn neu für sich entdeckt, wozu diese Studie beitragen möchte.
Könnte es die Kirche nicht mit staunendem Stolz erfüllen, ihre frohe Botschaft eines tragfähigen Glaubens, verankert im Vorreiter der Inklusion, Hermann Schuchard, Anstoß gebend bewusst zu machen? –

Nun zurück zu den Facetten des Kaleidoskops Hermann Schuchard:
Im Volksmund war Schuchard schlicht und klar:
Unser Vater Schuchard! Er kann einfach alles !“ (TV 9 ● Bild ILL S. 48 — Kutscher und Pfarrer)

Er kann pastern und kutschern“. Er kann predigen und die Pferdegespanne lenken. Er kann bei Bedarf den Prediger-Talar gegen den Blaumann eintauschen, um beim Ausfall der mangels Kapitals uralten Wasserpumpe selber die schweren Wasserfässer auf den Hephata-Berg zu kutschieren. Oder bei Ausfall eines Mitarbeiters selbst zur Pflege schwerstbehinderter Hephataner einspringen. Was für eine außergewöhnliche Fähigkeit zur Anpassung und Vielfältigkeit.

Für die ihm anvertrauten Hephataner – von Behinderung / Beeinträchtigung schon betroffene Kinder und Jugendliche in der Anstalt Hephata – war Schuchard zuallererst ihr Vater, erst dann der Direktor, dessen Tür für sie privilegiert immer offenstand. Er war – kaleidoskopartig – ihr faszinierender Geschichtenerzähler (TV 10 ● Bild ILL, Band I, S. 24)

, ihr inspirierender Zirkusdirektor, ihr bester Verlierer beim Wettspiel, ihr geduldiger Zuhörer ebenso wie ihr unergründlicher Ideengeber.

Für die Mitarbeiter, damals Diakone und Diakonissen, war Schuchard der ‘Bruder unter Brüdern’ (TV 11 ● Bild F+V, Band I, S.68 Ehefrau Amalia)

und zwar in der von ihm selbst gegründeten ‘Bruderschaft’ zur Mitarbeitergewinnung seiner Diakone. Wie oft finden wir heute noch solche bedingungslose Hingabe an die Gemeinschaft?

Wo immer er war, Hermann Schuchard strahlte auf alle Mitmenschen ansteckende Freude, waghalsigen Mut, ungeahnte Schaffenskraft, Zuversicht und Güte aus, war standhaft der Fels in der Brandung als Vater, Seelsorger, Prediger, Direktor ebenso wie als Lehrer, Aus- und Fortbildner, Redner, Politiker, Bauherr, Architekt, immer aber als der Bruder, der dankbare Diener Gottes.
Für die Kirche und Diakonie wurde Schuchard wegen seiner Verdienste als Pionier der ersten Gründer-Generation (TV 12 ● Bild F+G, Band I, S.326 /327 -Diakonie-Stammbaum)

zugerechnet, neben Theodor Fliedner im Kaiserswerther Mutterhaus, Johann Hinrich Wichern im Rauhen Haus Hamburg und Friedrich von Bodelschwingh in der Anstalt Bethel, obgleich Schuchard chronologisch erst der zweiten Generation angehörte.

Dazu A. Schering in den Festvorträgen „75 Jahre Hephata“ und „140 Jahre Diakonissenhaus Kaiserswerth“: „Schuchards Werk des ersten Jahrzehnts in diesem Jahrhundert sprengt alle Gesetzmäßigkeiten, … nämlich es ist die Leistung zweier Generationen in nur einer einzigen“.

Für die Mission war Schuchard das ewig mahnende Gewissen. Er erinnerte ohn‘ Unterlass an die gesellschaftlich kaum beachtete ausweglose Not vieler Mitmenschen in Elendsvierteln (TV 13 ● Bild ILL, Band I, S. 22 – Kind im Viehstall).

Er befreite erstmalig die unter Stroh versteckt gehaltenen, verachteten Kinder aus Viehställen, hob sie vom Boden auf, trug sie auf seinen Armen geborgen in ihr erstes richtiges ‚Zuhause‘ nach Hephata und erkämpft ihnen – geradezu revolutionär – erstmalig gesellschaftliche Beachtung und durch die Aufnahme in Hephata die rechtliche Anerkennung; damit verlieh er ihnen das unumstößliche Recht der Würde, ein gleichberechtigter Mensch wie jeder andere zu sein.

Für den Staat, das Deutsche Reich war Schuchard der Befreier der unverschuldet kriminell gewordenen vorverurteilten Jugendlichen der Straße, die auf die schiefe Bahn geraten waren (TV 14 ● Bild ILL, Band I, S.44 – `Jeromin, Sohn des Zigeunerkönigs).

Er holte sie aus den Gefängnissen, beschenkte sie mit seinem bedingungslosen Vorschuss grenzenlosen Vertrauens als Schlüssel, zutreffender als ‘Dietrich’ für ihren neu zu gewinnenden Weg zurück in die Gesellschaft. Er machte sie von Anfang an zu gleichberechtigten Partnern eigener, freier Entscheidungen, informierte sie beispielsweise als erstes über ihren Fluchtweg aus der Anstalt Hephata, wurde ihr Bruder, Freund, Kamerad, Beichtvater auf ihrem Weg zurück ins Leben und – posthum – schließlich Vorbild und Initiator der ersten Gesetzgebungs-Vorlage für das Berufsbild „Jugend-Diakon“ und „Jugend-Pfarrer“.

Für die Außenpolitik öffnete Schuchards Weitsicht und Organisationstalent schon damals den Blick auf die verlorenen Kinder auf den Straßen Indiens. Gemeinsam mit seinen Hephatanern wollte er auch den verwaisten Straßenkindern in Radcha/Indien im Himalaya-Gebirge ein ‘Hephata-Zuhause’ erschaffen.
Da fragt man sich: Wie konnte Schuchard das ohne www, @ E-Mail und (HIER BILD VON KI REIN WENN ERLAUBT) KI überhaupt initiieren und bewältigen? Ganz einfach: Schuchard appellierte an alle Hephataner, Mitarbeiter und Gäste, mit ihm zusammen täglich auf eine Scheibe leckeren Marmeladenbrotes zu verzichten, um durch diesen selbstbestimmten freiwilligen „Verzicht“, umgewandelt in Münzen, das erforderliche Start-Kapital zu ersparen. Ein kleines Opfer mit einer großen Wirkung! Kaum vorstellbar ist der diesbezügliche Briefwechsel (TV 15 ● Bild V, Band II, S. 592 /593 – Briefwechsel Waisenhaus Indien und Hephata),

im Schuchard/t Archiv Digital unter: www.schuchard-inklusionskirche-hephata1894.de für jedermann nachlesbar.

Für die Gossner-Mission Berlin wurde das „Schuchard-Verzicht-Modell“ wegweisend. Schuchards Slogan: „Verzicht statt Almosen“ wurde fortan weltweit zum Leitmotiv und steigerte durch den bewussten ‘Verzicht’ anstelle von ‘Ablass-Almosen’ die Spendenhöhe auf das Fünffache.

Dass Schuchards Handeln nachhaltig, nicht nur zu seinen Lebzeiten, sondern auch darüber hinaus posthum bis in die Gegenwart fortwirkte, beweist die Geschichtsschreibung.

Für Hephata und das Gebiet der Schwalm im Hessenland wurde Schuchard posthum im Zweiten Weltkrieg 1940 – 1944 der Retter vor der totalen Bomben-Zerstörung. (TV 16 ● Bild ILL + F Band II, S. 604 /605 – 1. Weltkrieg – Schuchards PAS-Modell)

Warum? Wie konnte Hermann Schuchard so nachhaltig noch nach seinem Tode wirken? So viel vorab:
Schuchard hatte im Ersten Weltkrieg 1914-1918 ganz Hephata einschließlich ‚InklusionsKirche‘ mit der ‚Halle für Alle‘ – gemäß dem Namen „Hephata“, das heißt aramäisch „öffne Dich“ – allen schwerstverletzten Kriegsheimkehrern, und zwar gleicherweise Freund- und Feind-Soldaten – zur Heilung an Leib und Seele weit geöffnet, und deren nachhaltiger Dank schlug sich im Zweiten Weltkrieg in einem Bomben-Abwurfs-Verbot nieder.
Wie aber konnte das in Kriegszeiten gelingen? Gegen Not, Angst, Tod und Schmerz setzte Schuchard seine ‚Heilungs-Konzeption-PAS‚ : ‚Patenschaften leben, Aufgaben lösen, Sich weiterbilden‘, bezog schon von Anfang an alle Hephataner ganz persönlich als verantwortliche Paten der in ihrer Lebens-, Dienst- und Glaubens-Gemeinschaft lebenden Soldaten mit ein. So viel vorab, mehr darüber später.

Dass die Rehabilitation gelang, bekundet zum einen das Dankes-Denkmal der Soldaten aus dem Jahr 1919 und, kaum vorstellbar, geradezu unfassbar, die Rettung der Schwalm vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg im Jahr 1944 (TV 17 ● Bild ILL+F, Band I, S. 100 – 1. Weltkrieg – Schuchards PAS-Modell):

Noch heute lassen sich die unzerstörten, malerischen alten Fachwerkstädte des Hessenlandes als sichtbarer Ausdruck ihrer Dankbarkeit gegenüber ihrem „Vater Schuchard“ deuten
Der erste Nachfolger Schuchards, Fritz Happich, wurde nicht müde, daran zu erinnern.

● Historisch unvergessen erlebte analog auch Friedrich von Bodelschwingh posthum (TV 18 ● Bild F, Band I, S.132 – Dialog Bodelschwingh – Hitler-Abgeordneten `Nullpunkt-Existenz)

sein nachhaltiges Wirken durch seinen Sohn Fritz, der sich ebenfalls im Zweiten Weltkrieg am 19.02. oder 31.03.1941 (das ist historisch ungeklärt) Hitlers Abgeordnetem Dr. Karl Brandt widersetzte und ihm auf dessen Beantwortung der Frage, was er unter einer „Nullpunkt-Existenz“ verstehe, nämlich „Die totale Gemeinschafts-Unfähigkeit“, eindeutig klar wie unmissverständlich mutig im Dritten Reich entgegnet: „Herr Professor, Gemeinschafts-Fähigkeit ist z w e i- seitig bedingt: Es kommt darauf an, ob i c h auch gemeinschaftsfähig für den anderen bin. M i r ist noch niemand begegnet, der n i c h t gemeinschaftsfähig wäre.

Für die Rezeption in der Literatur galt posthum:

Ein Hermann Schuchard allein genügt nicht, er ist viele in einer Person“:
(-> s. Band I : 34 Blickwinkel und Perspektiven zum Hermann Schuchard-Bild S. 33 – 40 ff.)

Ein Bismarck“ durch seinen ungewöhnlichen Weitblick und sein überragendes Organisationstalent, gepaart mit der Kunst der Menschenführung und der Hingabe für den Dienst an seinem Volk.

Ein Bodelschwingh im Hessenland“ durch seine Vereinigung übermenschlicher Willenskraft mit zarter Güte.

Das ständig treibende Gewissen der Inneren Mission“.

Der Vorreiter der Inklusion“ schon vor 130 Jahren

Der Fels in der Brandung“, zwischen Kapitalschulden und gigantischem Aufbau Hephatas um das 40-fache, ausgeweitet auf 50 Standorte.

Der Bettler und zugleich der Souverän des Kaisers“ (TV 19 ● Bilder ILL+F, Band I, S.82 – Bettler+Souverän+Anstaltstgemeinde):

Sowohl als von Kaiser Willhelm II. berufener Reichsernährungs-Beauftragter für alle Diakonie-Einrichtungen im Deutschen Reich während des 1. Weltkrieges (1914 bis 1918) als auch als der ständige Berater des Kaisers.

Nicht zuletzt der „Bruder unter Brüdern“ in der Brüderschaft der Diakone
(TV 20 ● Bild F+V, Band II, S.79 — Brüderschaft)

und zugleich ihr Direktor und der Gründer der Anstalt Hephata.

In der Diakonie-Geschichte ein Pionier der ersten Gründergeneration:
Schuchard hat zwei Leben in nur einem gelebt“; man rechnet ihn wegen dieser Verdienste, wie schon erwähnt, zur ersten Gründergeneration der Pioniere der Diakonie (neben Wilhelm Fliedner, Johann Hinrich Wichern und Friedrich von Bodelschwingh).

In der Landesgeschichte Hessens der Inspirator und Initiator des legendären Volks-Missions-Festes (TV 21 ● Bild F+ILL, Band II, S.793 –
Legendäres Volks-Missions-Fest mit 8000 Gästen
)

des Landes Hessen mit rund 8000 Besuchern weltweit, ursprünglich erwachsen aus dem Hephata Sommerfest.

Kurz noch zur offenen Zusatzfrage: nach der möglicherweise ‚vorprogrammierten‘ Hagiographie, am besten beantwortbar mit Rezensionen ausgewiesener Historiker: „Ein großer Wurf der Forschung und der Geschichtsvermitlung“ – „… erhaben über jeden Anflug von Hagiographie“ (-> Rezensionen / User Echo).

RPP Lakonig

Jeder Zuschauer unserer Sendung wird sich fragen, wie hat Hermann Schuchard diese Herkules-Arbeit geschafft?
W a r u m hat er das alles angefangen? Was war sein Motiv?
Es ist ja auch für uns nicht unwichtig zu erfahren, wie kam es ursprünglich zur Gründung Hephatas? Wie konnte es gelingen, dass Schuchard in fast 30 Jahren seines Wirkens das Diakoniezentrum Hephata um das 40-fache vergrößerte und auf insgesamt 50 Außenstellen ausweitete?

Prof. Dr. E. Schuchardt

Sie fragen sich, wie er das alles geschafft hat? Was sein Motiv war? Zur Beantwortung Ihrer Frage lassen Sie uns einen kleinen Test wagen:
Was hätten Sie, liebe Zuschauer und Hörer, selbst getan, wenn Sie vor 130 Jahren anstelle von Schuchard selbst vor seine Lebens-Entscheidung gestellt worden wären?
Hermann Schuchard, ein junger Mann am Fuße seiner Karriereleiter, verlobt mit der Professoren-Tochter Amalia, ausgewählt als Stipendiat des berühmten Königlichen Dom-Kandidatenstifts Berlin, entschlossen, sein Pfarramtspraktikum an der Seite Friedrich von Bodelschwinghs in Bethel zu absolvieren, berichtet darüber dem Hochwürdigen Königlichen Konsistorium in seiner „Darstellung des Lebens- und Bildungsganges“ (TV 22 ● Bild F+V, Band I, S. 26 – Schuchards Darstellung Lebens-und Bildungsgang),

und resümiert dort erstaunlich klar:
Diese 8 Wochen [Bethel] möchte ich zu den Schönsten meines Lebens rechnen

So weit so gut, alles läuft bilderbuchartig nach Plan.

Doch dann ereilt ihn völlig unerwartet auf dem Bahnhof Treysa zwischen zwei Zügen der Ruf der verantwortlich Leitenden, des Pfarrers und der Oberin der Anstalt Hephata: „Herr Kandidat Schuchard, bitte retten Sie unsere von Schließung bedrohte Anstalt! Kommen Sie zu uns nach Hephata! Sie sind der Richtige! Helfen sie uns aus der Not!

Ich frage Sie, liebe Zuschauer, erneut: Wie hätten Sie an Schuchards Stelle am Fuße Ihrer Karriereleiter, Stipendiat, Unilaufbahn, gesellschaftlich positioniert, entschieden? Hätten Sie die weltoffene Universitätsstadt Marburg eingetauscht gegen eine kleine Anstalt mit einem einzigen Haus für 14 von Behinderung schon betroffene Menschen im kleinsten Ort Treysa bei Schwalmstadt in einer Zweigstelle des Kasseler Diakonissen-Mutterhauses und damit verbunden Ihr Stipendium und Ihre Uni-Laufbahn, nicht zuletzt das gesellschaftliche Leben geopfert?

Was nun folgte, war das, was meines Erachtens am treffendsten im ‚Kaleidoskop-Symbol‘ veranschaulicht wird: Schuchards-Rollen-Diversity als Seismograph der Seele, tief verankert im Glauben, sprengt situationsorientiert alle Konventionen:
Schuchard begreift sofort die unausweichliche Notsituation, erkennt seinen Auftrag: „Gott, der uns alles geschenkt hat und täglich neu schenkt, dankbar bedingungslos dienen, da wo er uns braucht!“ Und er handelt unverzüglich gemäß seiner späteren Brüder-Regel (TV 23 ● Bild G, Band I, S. 64 – Bruder-Regel) :

Jesu -Dienst für uns und [ komplementär] unser Dienst für Ihn!
Entscheidungsfreudig, erfüllt von seiner Bethel-Erfahrung, entsagt Schuchard seiner Universitäts-Karriere, startet seinen Amtsantritt in Hephata/Treysa, einvernehmlich mit seiner Braut Amalia, am 1. Oktober 1894 und vertraut sich der Führung Gottes an.
Schuchards erste Tat: eine Pionierarbeit: (TV 24 ● Bild V, Band II, S. 93 – Schuchards erste Veröffentlichung „Was kann der Pfarrer tun…?“).

Die Rettung versteckter, verstoßener Kinder aus den Viehställen des Hessenlandes. Es war, wie schon erwähnt, die praktische Umsetzung seines ersten publizierten wissenschaftlichen Werkes zur Problematik: „Was kann der Pfarrer tun… um [auf] rechtzeitige Unterbringung… [versteckter, verachteter, vernachlässigter, verlorener, vergessener Menschenkinder] hinzuwirken“. Konsequenterweise durchforstete Schuchard das Hessenland (TV 25 ● Bild ILL+V, Band I, S. 36 – Schuchard der Retter der versteckten Kinder u. Jugendlichen),

suchte, fand und rettete aus elendigen Notquartieren, u. a. Viehställen, die Kinder, trug sie auf seinen Armen in ihr erstes ‚Zuhause Hephata‘, gab ihnen Heimat, Freude, Lebenslust, Aufgaben, Ausbildung und erfüllte gleichberechtigte Partnerschaft.
Aus heutiger Sicht integrierte / inkludierte Schuchard zum ersten Mal benachteiligte Menschen durch ihre Beheimatung in der Anstalt Hephata. Erstmalig wurden sie dadurch in der Stände-Gesellschaft des 20. Jahrhunderts anerkannt! Allerdings gelten sie in unserem heutigen Demokratie-Bewusstsein, dem des 21. Jahrhunderts, in Unkenntnis des historischen Kontexts nicht selten als ‚Separierte‘, in einer Anstalt Weggeschlossene, Ausgeschlossene, ‚Exkludierte‘.
Auf dieses Paradoxon komme ich später zurück.

Erst Jahre später erfährt Schuchard, dass er durch seinen Kurswechsel in der Lebensentscheidung (TV 26 ● Bild ILL, Band I, S.14 – Vision der Oberin Margarete Weber)

die Vision der sterbenden Oberin Margarete Weber erfüllte: „Hephata nicht schließen! Ich sehe Hallen voller Kinder im Licht! Nicht schließen!

Dass dann die damalige ‚Anstalt‘, das heutige ‘Diakoniezentrum’, jüngst umbenannt in ‘Diakonie-Unternehmen’, schon vor 130 Jahren zum gesellschaftlichen Mittelpunkt des Miteinander-Lebens und Voneinander-Lernens grenzüberschreitende Wirkung hatte, verdankt sich Schuchards Leitmotiv, seinem Credo: „Wer das Kleine tut, als sei es etwas Großes, dem gibt der Gott die Gnade, dass er das Große tue, als sei es etwas Kleines.“ – „Es gibt eine Angel, um welche sich alles Glück dreht, die heißt Dankbarkeit.“ Darum pflanzte er für jeden Erfolg zur Verwirklichung des Reiches Gottes hier auf Erden die Allee der „Erinnerungs-Dankesbäume“ (TV 27 ● Bild ILL, Band II, S. 84 – Erinnerungsallee der Entwicklungsschritte Hephatas).

Jeder Baum sollte den Besucher an einen Fortschritt in Hephata erinnern.

Aus dieser Dankbarkeit fasste Schuchard (TV 28 ● Bild V+F, Band I, S. 66 – Schuchards Aufbruch-Rede zur Gründung der Bruderschaft und Bau des Brüderhauses)

nach sechs Jahren im Jahr 1900 am 7. Mai in seiner berühmten „Aufbruch-Rede auf dem Melsunger Pfarrertag“ den Entschluss, die erste Hessische Brüderschaft zu gründen.

Sie sollte die Keimzelle der Ausbildung der Diakonen-Brüder werden, so dass neben Diakonissen-Schwestern aus Kaiserswerth auch Diakonie-Brüder die Arbeit aufnehmen konnten. Dies löste die bisherige Zweiganstalt vom Kasseler Diako- nissenmutterhaus ab. Es erfolgte die eigenständige Gründung eines selbstständigen Zentrums der Diakonie – gegenwärtig Diakonie-Unternehmen genannt – das bis zum heutigen Tage 2024 nachhaltig in Not geratenen Menschen Heimat gibt.

Ein Slogan dazu?
Hermann Schuchard ein Kaleidoskop der Rollenvielfalt, ein Seismograf der Seelen, ein Herkules-Architekt der weltweit wohl ersten Inklusions-Brücke sowohl vor und während dem Ersten Weltkrieg als auch ganz außergewöhnlich nachhaltig ‘posthum’ als versöhnender Retter der Schwalm vor der Bombenzerstörung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg.
Lassen wir uns von Schuchards Wirken als Visionär, Kämpfer, Reformer und wagemutiger Retter – materiell-finanziell mittellos arm, aber geistig-geistlich spirituell überreich an unerschütterlichem Glauben als Quelle seiner Kraft – inspirieren, die Inklusions-Brücke w e r t e o r i e n t i e r t weltweit weiter auszubauen.

RPP Lakonig

Frau Professor Dr. Schuchardt, ich mache mich wieder zum Anwalt meiner Zuschauer und frage an: wenn ich jetzt im digitalen Zeitalter Hephata im Internet eingebe oder das Stichwort Hephata und Inklusion, was erscheint da? Was ist das Charakteristikum, das W o z u von Hephata?

Prof. Dr. E. Schuchardt

Danke für diese Tür und Tor öffnende Frage:
Der Internet-Klick fällt zunächst auf die Webseite, das ‘Diakoniezentrum’, heute umbenannt als ‘Diakonisches Unternehmen’. Fügen Sie aber den Gründernamen, Hermann Schuchard, hinzu –
also www.schuchard-inklusionskirche-hephata 1894.de – dann öffnet sich Ihnen die wohl weltweit erste Inklusions-Kirche Hephata!

Meines Erachtens ist sie noch heute eine Menschenrechts-Botschaft in Stein!
(TV 29 ● Bild F+G Kirche, S.138)

Sie fragen zurecht: W o z u ? – Weshalb – Warum? Gern will ich das erzählen:

Es war von Anfang an Schuchards Idee, jedem Hephataner die volle Teilhabe zu sichern. Vor 130 Jahren gab es noch nicht das Schlagwort Inklusion, aber es war lebendig in Schuchards Vision: Allen Hephatanern von Anfang an ein gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen, niemanden zu isolieren, sondern vielmehr sein ‘Talent’ durch menschenwürdige Aufnahme in die Lebens-Gemeinschaft Hephatas zu integrieren, eingebettet in die Gemeinden um Treysa, Schwalmstadt, das Hessenland bis hin nach Namibia/ Afrika und Radcha im Himalaya-Gebirge Indiens, um sogar schon die Welt-Gesellschaft mitzugestalten.

Demzufolge verhandelt Schuchard unter anderem mehr als zehn Jahre lang um die Erfüllung seines Wunschtraumes: eine eigene Hephata-Kirche als Haus der offenen Tür und, mehr noch als das, als öffentliches Dialog-Zentrum der Begegnung.
Nomen est omen, so sagt man doch, und tatsächlich sollte Hephata, das auf Deutsch schlicht „öffne Dich“ heißt, bald Realität werden.

Fast wie ein Wunder erfährt Hermann Schuchard durch Indiskretion, dass Kaiser Wilhelm II. und seine Frau Auguste-Victoria, die sogenannte Kirchen-Gustel, (TV 30 ● Bild ILL+F, Band II, S. 70/71 Silberhochzeits-Kaiserpaar in der Mitte, Kaiser-Verhandler vorn, Fest zur Einweihung der Wunschkirche hinten)

aus Anlass ihrer Silberhochzeit den Bau einer Hephata-Kirche beschließen wollen, gemäß eines Beschlusses des Hessischen Landesparlaments.

Spontan tritt Hermann Schuchard vor seinen Kaiser hin, dessen langjähriger Berater er ja war, dankt Seiner Majestät für das Kaiser-Geschenk und fügt schelmisch lächelnd hinzu Seine Majestät möge sich doch erinnern und bedenken, dass sie in Hephata entsprechend ihrer Ordens- und Bruder-Regel „ora et labora“ nicht nur eine betende und arbeitende Gemeinde seien, sondern auch – durch Visionär Schuchard zum „celebrate“ erweitert – eine feiernde Gemeinschaft, weshalb Hephata unverzichtbar dringend auch einer gleich großen „Halle für alle“ bedürfe, und zwar zusätzlich zum Gottesdienst-Kirchraum.

Das Argument überzeugt den Kaiser, er stiftet Schuchard die erste Inklusions-Kirche. Noch heute lädt dieser Kirchen- und Festhallen-Raum jedermann ein:
(TV 31 ● Bild F + ILL, Band I, S. 70 mit 14 Bildern, davon erst Nr. 1 bis 3).

Die Kirche, der sakrale Bau, wird getragen von den Säulen der großen ‘Halle für alle’ (TV 31 ● Bild F + ILL, Band I, S. 70 14 Bilder, davon Nr. 4 bis 6),

dem säkularen, weltlichen Bau der Kongresshalle; beide vereint im nach oben weisenden Gottesfinger des Kirchturms.

Meiner Meinung nach ist das auch heute noch ein Menschenrechts-Denkmal in Stein und zugleich ein historisch berühmter Ort der Geschichte: Hier wurden wegen der hervorragenden Infrastruktur die großen Kirchenkonferenzen des Deutschen Reiches, darüber hinaus die vielen jährlichen (TV 32 ● Bild ILL+V, Band II, S.610 / 611 — Pastoraler Ausbildungskurs und Fischfässer-Spende)

Aus- und Fortbildungs-kurse sowie Kongresse mit internationalen Gästen von Schuchard veranstaltet, nach dessen Tod auch die Euthanasie-Tagungen des Landes und nicht zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg die Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 1945. (TV 33 ● Bild F+V, Band I, S.110 — Festakt 70 Jahre EKD 2015 mit Autorin)

Schließlich feierte man dort in meiner Anwesenheit das Jubiläum der 70 Jahre EKD 2015 (TV 34 ● Bild F+V, Band I, S.110 — Festakt 70 Jahre EKD 2015 mit Autorin).

Es sei noch einmal erinnert, dass sich diese multifunktionale Inklusions-Kirche während der Kriegsjahre 1914 bis 1918 im Ersten Weltkrieg auch als Hephata-Lazarett zur Verfügung stellte, um alle lebensentmutigten Soldaten – Freund wie Feind – in Hephata aufzunehmen, um sie an Leib und Seele heilen zu können (TV 35 ● Bild ILL+F, Band I, S. 100 – Schuchard posthum im 2. Weltkrieg der Retter der Schwalm).

Ich hatte ja schon erwähnt, dass diese verletzten Soldaten des Feindes aus dem 1. Weltkrieg dann 1944, im Zweiten Weltkrieg aus Dankbarkeit für ihre damalige unerwartete Rettung in Hephata den militärischen Befehl erteilten, Hephata und die Schwalm vor den Bombenangriffen zu bewahren. Noch heute zeugt die Pracht der alten Fachwerkbauten als historisches Erbe der Schwalm von Schuchards Versöhnungsarbeit in Hephata. So wurde Schuchard posthum zum Retter der Schwalm, woran sein erster Nachfolger im Amt, Fritz Happich, stets anerkennend erinnerte.

RPP Lakonig

Frau Professor Dr. Schuchardt, Sie haben das Schlüsselwort ‚Inklusion’ jetzt mehrfach angesprochen.
Sie haben auf Hermann Schuchard als Herkules-Architekten der weltweit wohl ersten Inklusions-Brücke in Hessen hingewiesen.
Können Sie uns theoretisch und praktisch erklären, W i e Hermann Schuchard schon vor 130 Jahren Inklusion gelungen ist?

Prof. Dr. E. Schuchardt

Mit Vergnügen komme ich diesem Interesse nach.
Inklusion ist seit über einer Dekade (TV 36 ● Bild F+G, Band I, S. 212 — UN-BRK),

insbesondere seit der UN-Behinderten-Rechtskonvention der Vereinten Nationen, kurz UN-BRK genannt, eine Art Zauber-Formel, oder auch nur bloße Mode-Floskel, irgendwo zwischen Avantgarde und Instrumentalisierung, zwischen Zukunftseuphorie und Resignation, die oft vermarktet wird als Paradigmenwechsel oder gar missbraucht wird als Sparmodell; vielfach bleibt sie unhinterfragt, doch in jedem Fall ist sie wirkmächtig:
Es ist bekannt, dass unsere Begrifflichkeit immer aus dem Kontext des Zeitgeistes erwächst. Beispielsweise hat die Digitalisierung unserer Welt ein völlig neues Vokabular, eine neue Begrifflichkeit entwickelt: z.B. www…world wide web.
Analog vollzieht sich das auch bei der Inklusion, vormals Integration. Das will ich am Beispiel Hermann Schuchards veranschaulichen:
Als Schuchard 1894, also vor 130 Jahren, um die Realisierung seiner Vision kämpft: Jedem Menschen, auch denen aus den Elendsquartieren am Rande der Gesellschaft, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, also ein Dach über dem Kopf, ein Zuhause, eine Gemeinschaft und einen Lebenssinn, entsprach das seiner ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung: „Was kann der Pfarrer tun…?“ Das war – kaum vorstellbar – damals schon ‘gelebte Inklusion’.

Rund 130 Jahre später beurteilen das meine Studierenden auf der Grundlage der zwischenzeitlichen Fachliteratur als ‘Separation’. Warum?

Das erklärt sich aus den unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten:
Daß aus der Perspektive unseres 21. Jahrhunderts, basierend auf dem Grundgesetz „Die Würde des Menschen“ als „unantastbar“ deklariert wird, weshalb „keiner wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf“, lässt systemimmanent auf den ersten Blick Hephata als Separation, als Sonderraum einer Anstalt erscheinen, erweist sich aber aus der Perspektive des 19. Jahrhunderts als gelungene Integration, weil Schuchard damals erstmalig rechtlosen Menschen durch ihre Aufnahme in Hephata eine ihnen bisher verweigerte gesellschaftliche Wahrnehmung verschaffte und damit ihre unantastbare menschliche Würde. Es verdankt sich Schuchards Pionierarbeit, diesen nicht selten in Stallhaltung vegetierenden Lebewesen erstmalig ihre Menschenwürde als gleichberechtigte Mitmenschen der Gesellschaft in Gestalt von Lebensraum, Lernmöglichkeit und selbstbestimmter Lebensgestaltung eingefordert zu haben.

Dass die ‘Aufnahme’ – Beheimatung – in Hephata für Schuchard nur der e r s t e Schritt auf diesem Weg zum gleichberechtigten Glied der Gesellschaft war, beweist seine inspirierende intensive pädagogische Arbeit vor Ort.
Schuchards Integrations-Vision vollzog sich aus heutiger Sicht als ‘Vor-Modell’ in 3 prozessualen Schritten. Der 1. Schritt, das ,Aufgenommensein’ in ein erstes Zuhause, in eine verantwortliche Lebensgemeinschaft entsprach wohlgemerkt nur seinem erstem Pionier-Schritt im Entwicklungsprozess (TV 37● Bild F+G, Band I, S. 284 /285 – Berliner-Reichstags-Kuppel, und ∞ 3-Schritte-UmkehrProzess),

dem unverzüglich der 2. Schritt zur ‘Begegnung’ mit Mitmenschen sowohl innerhalb der Einrichtung als auch vor Ort in den Gemeinden und schließlich der 3. Schritt, die angestrebte ‘Selbstständigkeit’ in Beruf, Wohnort und Lebensplanung, zu folgen hatten.

Dieser kontinuierliche Entwicklungsprozess wird leider nicht selten schlicht übersehen. Auf ihm erweisen sich – zeitgeschichtlich bedingt – Integration und Inklusion als zwei ebenfalls aus dem historischen Kontext erwachsene Begriffe, die aber das gleiche Ziel eines Prozesses zur ‘vollen Teilhabe’ beinhalten, nämlich den von mir in der Literatur eingebrachten ‘ 3-Schritte UmkehrProzess der Gesellschaft’ (TV 38 ● Bild F+G, Band I, S. 286/287 – Faust-Erlösungs-Spirale):

Von Schritt 1 ‘Stabilisierung‘ / ‚Aufgenommensein’ über Schritt 2 ‚Integration‘ / ‚Begegnung
zu Schritt 3 ‚Partizipation / Selbständigkeit‘.

Dieser ‘ 3-Schritte UmkehrProzess’ ist in meinem ‘ KomplementärModell-KrisenManagement’ der Weg der Gesellschaft, den Hermann Schuchard bereits beispielhaft schon vor-praktiziert hatte, wie es uns seine anschaulichen Praxisberichte belegen, den er, mehr als das, schon vorweggenommen hatte: Es offenbaren sich uns, vielleicht unbeabsichtigt, aber visionär Modelle wie der von Norman Foster im Auf- und Abgang der Reichstagskuppel zur Botschaft in Stein, Glas und Beton gewordene duale ’KomplementärSpiralweg’ (TV 39 ● Bild V+F+G,QR-Code, Reichstagskuppel YouTube-Video).

Dass analog dazu auch die Person individuell ihren ` 8-Phasen KomplementärSpiralweg zur ‚Krise als Chance‘` (TV 40 ● Bild F+G+V, Band I, S. 262/263 — Barlach, Weltatlas der Komplementär-Spiralwege)

meistern muss, um mit der Krise – z.B. Behinderung / Beeinträchtigung – ‘anders’ oder neu leben zu lernen, dass sie sich dabei mit Kopf, Herz und Hand durch das Eingangs-, Durchgangs- und Ziel-Stadium siegreich hindurchringen muss, erschloss sich mir übrigens aus der Erforschung von mehr als 6000 Lebensgeschichten (Auto-/ Biografien) weltweit, ein Jahrhundert übergreifend.

So ist es ein Irrtum zu glauben, die ‘Inklusion’, das ‘Zusammenleben von Anfang an’, habe erst mit der UN-BRK begonnen. Das Beispiel Hermann Schuchard zeigt, dass sie schon vor 130 Jahren lebendige Praxis war, was die nachfolgenden Beispiele veranschaulichen.

Ein bildungspolitischer Rückblick in unser Bildungssystem offenbart, dass Deutschland mit seinem dualen Förder-System geradezu ideale Bedingungen bereitstellte: Seit dem ersten „Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen“ 1960 und dem „Strukturplan des Deutschen Bildungsrates“ 1970, gefolgt vom „Folge-Strukturplan für das „Sonderschulwesen“ 1972, schon damals visionär getitelt: „Für behinderte und von Behinderung b e d r o h t e Kinder- und Jugendliche“ lautet darin die bahnbrechende These: „So viel Integration wie möglich und so wenig Separation wie nötig“, das heißt: Es wird jedem von individueller Beeinträchtigung schon betroffenen Menschen – z.B. blind, taub, sprachbehindert, körperbehindert, geistig behindert, psychisch- oder verhaltensgestört, gesellschaftlich behindert – eine erforderliche Förderung ermöglicht, und zwar bereits inmitten einer integrierten, vollen Teilhabe, also einer Partizipation, also das, was bahnbrechend der Pionier Hermann Schuchard mit seiner Vision schon vor 130 Jahren praktizierte hatte.

Er gestaltete, basierend auf dem Geist der Ordens-Bruder-Regel ‘ora et labora“, ‚bete und arbeite‚, von Schuchard visionär ergänzt um das Feiern, das ‘celebrate’, im Verlauf des Kirchenjahres eine Vielzahl von Integrations-Festen. Drei davon will ich exemplarisch herausgreifen:

Das legendäre Hessische Volks-Missions-Fest
Tausende (TV 41 ● Bild I S.40 links Rucksackbild)

von Besuchern reisten aus aller Welt auf Einladung Schuchards nach Hephata, um gemeinsam das Leben zu feiern.
Und als in den Kriegs- und Nachkriegsjahren die Lebensmittelkarten das Feste-Feiern fast unmöglich machten, strömten die Besucher zum legendären Volks-Missions-Fest 1919 mit ihren vom Munde abgesparten Köstlichkeiten in vollgepackten Rucksäcken.
Die Seminaristen (TV 41 ● Bild ILL+V, Band I, Seite 40 links u. S. 88 rechts Veröffentlichung und Spenden-Fischfässer)

von Schuchards internationalen Fortbildungs-Seminaren und -Tagungen ließen zudem aus Skandinavien kontinuierlich große Fässer köstlichen Fisches nach Hephata rollen. Alles nachlesbar im Schuchard/t Archiv Digital.

Das Schuchard Waldfest an ‘Vaters’ Geburtstag
Der Höhepunkt für Hephataner (TV 42 ● Bild F+ILL, Band II, S.830 / 831 — Schuchards Waldfest Kutschern und Waldeinsatz)

zusammen mit der Zivilbevölkerung und internationalen Gästen war Schuchards Geburtstags-Waldfest-Feier.
Kaum vorstellbar, wie tief der Integrationsgedanke von Schuchard selbst Besitz ergriffen hatte: Kein einziger ‘Anstalts-Bewohner’ wurde in der Anstalt zurückgelassen, auch die Schwerstkranken wurden transportiert (auf Lastwagen), ebenso wie die Kinder mit sog. Verkrüppelungen, (TV 43 ● Bild F+ILL, Band II S. 768/769 Pony/Pferdgespann)

diese fuhren im Ponygespann oder auf dem Rücken der Pferde zum Wald-Festplatz.
Alle feierten den Fest-Gottesdienst im Wald, das Festmahl am Feuerplatz, die Fest-Wettspiele. Die Theater-, Tanz- und Zirkus-Aufführungen prägten in wechselseitiger Festtags-Freude die Gemeinschaft der großen Hephata-Familie, eingebunden im Freundes- und Gästekreis von Nah und Fern.
Bis tief in die Nacht wurden Kartoffeln im Feuer geröstet und das ‘himmlische Mahl’ immer wieder von Wettspielen zwischen dem Direktor, Hephatanern, Mitarbeitern und Gästen unterbrochen. Kein Zweifel daran, dass Vater Schuchard immer der beste Verlierer war. Lob, Preis und Dank erklangen am Ende des Tages bei Wald-Gottesdienst; dies und der Fackelzug wurden für alle unvergessliche Erlebnisse.

Das Christfest und die Neujahrsfeier als Höhepunkt des Kirchenjahres
Für diesen Höhepunkt des Kirchenjahres war eine ganze Woche lang vom Heiligen Abend bis zum Neujahrstag die Inklusionkirche das Zentrum des Hessenlandes. (TV 44 ● Bild F+ILL, Band I, S. 331, S.U4 – ‚Halle für Alle)

Jeder Hephataner, Mitarbeiter und die Familien sowie Gäste aus aller Welt, hatten seit Wochen dem Christkind ihren Wunschzettel geschrieben. Schuchard selbst übernahm es, alles vom Christkind zu erbitten, unterstützt von großzügigen Spendern der Zivilgesellschaft. Das bedeutete konkret, für 359 Kinder, unter anderem 80 Puppen, 200 Bilderbücher, 100 Geschichtenbücher, Trommeln, Pfeifen, Handglocken, Baukästen und vieles andere mehr, das dann in der großen ‚Halle für alle‘ jedem auf den Gabentisch gelegt wurde.
Ein einzigartiger Höhepunkt am zweiten Festtag war die Bescherung der Hephataner für die Mitarbeiter mit handgefertigten sog. Jahres-Liebes-Gaben. Nachzulesen ist auch das alles im Schuchard/t Archiv Digital „Geschichten und Bilder aus Hephata“.

Alle gemeinsam erlebten das Glück ihrer ganz persönlichen Bescherung in der Gemeinschaft aller Beteiligten. Auch hier wurde gelobt, gepriesen, gedankt, und es wurde gelacht, gegessen, getanzt bei Musik, Theater und Spiel und dem unvergessenen Erlebnis: Wir sind eine große glückliche Familie! Ich gehöre dazu! Auch ich kann etwas schenken: Meine Dankbarkeit, meine Freude, nicht zuletzt mein An-den-Anderen-denken, mit ihm zu fühlen, für ihn zu beten und nicht zu vergessen, ihm herzlich zu danken mit Tausenden kleiner Liebes-Zeichen – gemäß Schuchards Leitwort: „Es gibt eine Angel, um welche sich alles Glück dreht, die heißt Dankbarkeit“. Das hatte jeder erlebt: Denken ist Danken und Danken ist Denken.

RPP Lakonig

Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage:
W o h e r bekam Schuchard ausgebildete Mitarbeiter?
Wir alle kennen den Mangel an Pflegekräften, der aktuell die politische Diskussion beherrscht. Wie konnte er unter großem Ausbildungs-Notstand Personal rekrutieren? Wie konnte er eine erforderliche Ausbildung sicherstellen? Es gab noch kein Berufsbild. Wie konnte er überdies seine Vision der Inklusion leben? Gab es Modelle, Ausbildungsstätten, gesetzliche Regelungen? Wie hat er das alles geschafft, zutreffender erstmalig neu erdacht?

Prof. Dr. E. Schuchardt

Das ist eine Schlüsselfrage! Danke!
Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob ich selbst, wohlgemerkt o h n e meine Mandate – als Abgeordnete im Deutschen Bundestag (TV 45 ● Bild F+G, Band II, S. 238, 240),

als Synodale im Parlament der Evangelischen Kirche in Deutschland, im Weltkirchenrat, im Lutherischen Weltbund, als Vizepräsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission (TV 46 ● Bild F mit Dalai Lama Bild mit Dalai Lama, Kofi Anan, Club of Rome, Kanzler Kohl)

als Gründungs-Initiatorin der Bundesarbeitsgemeinschaft „Den Kindern von Tschernobyl“ – so mittel- und zunächst mandatslos, wie es damals Hermann Schuchard gewesen war , die Kraft gehabt haben würde, gegen alle gesellschaftlichen Widerstände mutig, zuversichtlich wie unbeirrt durchzuhalten und sowohl die Reformen als auch die eigenständigen Gründungen durchzusetzen.

Fakt war: Schuchard war finanziell mittellos. Als Sohn eines Pfarrers und späteren Metropoliten zwar geistig-geistlich reich, aber materiell finanziell arm. Die neu gegründete selbstständige Anstalt Hephata war ohne jegliches Kapital überreich an Schulden und an interessierten Mitarbeitern, Diakonissen, Diakonen und jungen Menschen, jedoch weitgehend ohne jegliche Berufsbildung, die alle als Bruder der Bruderschaft zum Dienst bereit waren, aber ausgebildet werden wollten. So legte Schuchard von Anfang an den Grundstein für das Berufsbild des ‚Bruder-Diakons‘ und des ‚Jugend-Pfarrers‘, das dann erst posthum durch Landesgesetz 1948 – fast 50 Jahre nach Theodor Fliedners Berufsbild der ‚Diakonisse‘ – beschlossen wurde.
Dabei gründete er zum Abbau des Notstandes 1900 die erste ‚Hessische Brüderschaft‘ als Lebens-, Dienst- und Glaubens-Gemeinschaft (TV 47/TV 48 ● Bild V, Band II, S.312/313 ‚Bruder unter Brüdern‘).

Die damals eher standesgemäß orientierte Gesellschaft war noch distanziert, verschlossen, unerfahren, voller Vorbehalte und Ängste gegenüber ausgegrenzten, schwachen, kranken, hilfsbedürftigen Menschen; ich bezeichne das heute als ‚unfreiwillig‘ aufgebaute ‚Kopf-Barriere‘, die es gilt, durch Bildungsmaßnahmen abzubauen. Man handelte primär nach dem Motto: ‚Nähe in Distanz‘, gab Spenden, zeigte aber keinerlei Bereitschaft, sich mitmenschlich, partnerschaftlich zu engagieren. Schlagwortartig: Ausgliederung vor Eingliederung! – Forderung vor Förderung! – Vorurteile vor Verständigung! – Exklusion vor Integration/Inklusion! Zum Abbau derartiger ‚Kopf-Barrieren‘ entwickelte schon Hermann Schuchard damals sein

` Hephata Vor-Modell’, das von mir dann weitergeführt wurde zum
` 3-Schritte UmkehrProzess der Gesellschaft` im ‘KomplementärModell KrisenManagement’.

Schuchards Geheimnis: Er fragte nicht lange (TV 49 ● Bild V, Bd. II, S.312/313 – Titel Schuchards Veröffentlichung „Dienstbereitschaft“ mit Zitat mit Zitat „Angel: Dankbarkeit“ S.330/331, und im Band I S. 166),

er sah, er handelte und er siegte getreu dem Credo: „Wer das Kleine tut, als wäre es etwas Großes, dem gibt Gott die Gnade, dass er das Große tue, als wäre es etwas Kleines.
(TV 50 ● Bild V, Band II, Dienstbereitschaft m. Zitat „Wer das Kleine tut, als wäre es… Großes“, S. 406/407)

Schuchards Botschaft: „Es ist die Liebe, die heilt!“ oder „Wer liebt, lacht, lernt, der heilt!“. Er sprach von der „Segens-Schule“ des Lebens und den „8 Grundpfeilern der Erziehung“ . Zum Beispiel:

1. „Auszug aus dem Gefangensein in der Selbstsucht“.
2. „Dankbarkeit als Rettungsanker des Glücklichseins“.
3. „Dienst am Nächsten, Bruder oder Schwester, als Dank für Gottes Liebe“.

Alle weiteren sind wiederum nachlesbar im Schuchard/t Archiv Digital.

So öffnete Schuchard mit seiner „Dienstbereitschaft“ Hephata (TV 51 ● Bild F, Band II, S. 72/ Hephata-Gemeinschaft),

eroberte alle Herzen, sowohl der Hephataner als auch der Mitmenschen, wie der sie umgebenden Gesellschaft. Schuchard war eben nicht nur der Direktor, er war vor allem auch der Diakonen-Bruder, Vater der Hephataner und seiner eigenen sechs Kinder, Ehepartner seiner Frau und Logistikerin Amalia und nicht zuletzt Sohn seiner Eltern und Schwiegereltern mitsamt deren kirchlichen und juristischen Gesellschaftspositionierungen. Schuchard vereinte alle diese Rollen in dankbar dienender Liebe dafür, an der Seite Friedrich von Bodelschwinghs seine ihn prägende Bethel-Erfahrung erlebt zu haben und diese lebenslang im Aufbau von Hephata in Hessen umsetzen zu dürfen: Darum sprach man von ihm als „Hessens Bodelschwingh“.

Dass Schuchard brillanter PR-Agent, Event-Gestalter, humaner Arbeitgeber, fundierter Berufsausbilder, einzigartiger Seelsorger, Lehrer, Vortragsredner, international gesuchter Referent, nicht zuletzt des Kaisers Berater und im e
Ersten Weltkrieg sein berufener Reichsernährungs-Beauftragter war, machte seine Strahlkraft kaleidoskopartig inspirierend aus.

Dass man ihn in der Literatur als begnadeten Erzieher bezeichnete, als Pionier der ersten Gründer-Generation der Diakonie einordnete – nach Theodor Fliedner, Johann Hinrich Wichern, Friedrich von Bodelschwingh –, verdankt sich seinen Verdiensten, nämlich zwei Leben in nur einem gelebt zu haben.

RPP Lakonig

Können Sie uns Beispiele geben, wie das in der Praxis ausgesehen hat?
W o m i t meisterte er die Inklusions-Brücke vor 130 Jahren?

Prof. Dr. E. Schuchardt

Das ist ganz einfach. Orientiert am Leitmotiv: „Es ist die Liebe, die heilt!“, wollte Schuchard im ersten Schritt seine Hephataner wachsen lassen, ihnen Freiheit, Selbstbewusstsein und Identität geben, sie schlicht „stabilisieren“.
Ich nenne das in meinem weitergedachten ‘KomplementärModellKrisenManagement’, den 1.Schritt der ‘Stabilisierung’ (TV 52 ● Bild F+G, Band I, S. 291, E. Schuchardts- KomplementärModell KrisenManagement SKMKM Modell).

Wenn man dann stabilisiert ist, d.h. sich selbst bejahend annehmen kann, wird man fähiger, sich im 2. Schritt `Integration` angstfreier, offener, neugieriger auf den Anderen, den Mitmenschen, einzulassen, ihn zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln. Daraus folgt, man lebt nicht länger auf einer E i n bahn-Straße, sondern fortan vielmehr auf einer D o p p e l -bahn-Straße wechselseitiger – komplementärer – `Begegnung`, d.h. man ist integriert im Miteinander Teilen des Lebens; ich nenne das den 2. Schritt der ‘Integration’.
Schließlich kann, wer so integriert ist, gleichberechtigt ein Miteinander-Leben in Selbstständigkeit am selbstbestimmten Platz kreativ gestalten. – Ich nenne das den 3. Schritt Partizipation’, Teilhabe.

Das macht Hermann Schuchard noch sparsam theoretisch, jedoch überreich ganz unmittelbar praktisch. Ich habe es weitergedacht in meinem Inklusions-, zutreffender, ’KomplementärModell KrisenManagement’ als den
3-Schritte-UmkehrProzess zur Kopf-BarriereFreiheit’ und demzufolge Schuchards Handeln als ‘Hephata-Vor-Modell’ bezeichnet, das er aber – m.E. bahnbrechend – bereits vor 130 Jahren schon gelebt, gestaltet und praktiziert hat.

Beispielhaft spricht Schuchard die Sprache des Herzens: Er ignoriert die seinerzeit gebräuchlichen zu seiner Zeit verwendeten Termini wie „Bildungsunfähige, Untermenschen, Idioten, verblödete Krüppel“ und spricht stattdessen gleichberechtigt angemessen von den „Söhnen und Töchtern des Landes Hessen“. Schuchard erkennt erstens zukunftsweisend schon die kaum vorstellbare Kompetenz dieser Söhne und Töchter seines Landes, er charakterisiert sie als (TV 53 ● Bild V, Bd. II, S. 558 / 559)

ihre ganz außerordentliche Fähigkeit, glücklich, zufrieden und dankbar zu sein und ihre Freude mit Anderen teilen zu können“, weisheitsvoll kommentiert „…ist es doch eine liebevolle Fürsorge unseres Gottes, dass er ihnen eine zarte Hülle über ihre Leiden gelegt, dass sie selbst ihre Situation nicht erkennen“, mitmenschlich, geschwisterlich mitfühlend noch hinzufügt: „Freilich auch so leiden sie …!

So bekennt Schuchard erstens: „Selten habe ich glücklichere Menschen gesehen als meine Hephataner“ – und um das zu verbreiten, verfasst PR-Referent Schuchard (TV 54 ● Bild V, Band I, S.148 /149)

seine monatlichen Rundbriefe: „Geschichten und Bilder aus Hephata“, und da es vor 130 Jahren noch keine E-Mails gab, sind diese Dokumente, soweit auffindbar, alle im Schuchard/t Archiv Digital einsehbar.
Dies ist ein wahrer Schatz zur Erkundung für den verborgenen Reichtum im Anderen, dem von Krisen schon betroffenen Mitmenschen, gerade auch seiner ‘Hephataner’! Und zweitens?

Schuchard, der gottbegnadete Erzieher, erkennt, was seine ‘Söhne und Töchter des Landes‘ brauchen: ein Haus, eine Liebe, eine Aufgabe.
So erhält jeder Hephataner (TV 55 ● Bild ILL, Band I, S. 144)

Holz oder Stoffballen für sein eigenes ‘Häusle’ oder sein Zelt, dazu ein Tier zum /Liebhaben und verantwortungsvollen Versorgen für sich ganz allein, überdies ein eigenes Stückchen Gartenland und Saatgut, um das Taschengeld sicherzustellen durch Eigenanbau von Obst, Gemüse und Blumen, sowohl zum Verkauf auf dem freien Markt als auch an die Anstalt Hephata.
Für alle gemeinsam schafft Schuchard ein Tiergehege (TV 56 ● Bild ILL, Band I, S. 146)

zur Tierzucht oder gar zur Dressur von Tieren für die Zirkus-Manege, in der Vater Schuchard selbst als Zirkusdirektor moderiert.

Schuchard, Hessens Bodelschwingh, gelingt drittens die Realisierung seiner Vision: Jeder Hephataner entwickelt im ` ‚3-Schritte-UmkehrProzesss zur Kopf-BarriereFreiheit’ dabei selbstbestimmt seine eigene Persönlichkeit, wächst über sich selbst hinaus, wird selbst zum ‚begehrten Gastgeber’ für Konfirmanden- und Besucher-Gruppen aus dem In- und Ausland im stets offenen Hephata zu Hause und erfährt dabei an sich selbst seine neu gewonnene ‘Partizipation’:
Denn umgekehrt – komplementär – wird er selbst ein persönlich eingeladener ‚Willkommener Gast‘, wird damit ein integriertes Glied der Gesellschaft – und das schon vor 130 Jahren.

Fazit: Schuchards Vision würdiger Gleichberechtigung von Hephatanern und Mitmenschen der Umgebung lässt sich verstehen als früher Entwurf, ich würde sagen ` Vor- und Vorbild-Modell Hephata` dessen, was ich als späte Nachfahrin dann weitergedacht habe zum
`KomplementärModell Krisenmanagement zur Krise als Chance‘. Aus sogenannten Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung, individueller Eigenart – exemplarisch im Englischen negativ `dis-abled`, positiv `special abled`, `special gifted` – erschafft Schuchard gleichberechtigte ‘Gastgeber’ wie ‘Gäste’. Und umgekehrt –
komplementär – verwandelt er sogenannte distanzierte Besichtigungs-Besucher (sog. Zoo-Effekt) in ‘begeistert beschenkte Gäste, Paten und Partner’ seiner Hephataner. Erleben Sie es doch einfach selbst im Schuchard/t Archiv Digital, in der Rubrik Band I, Kapitel 12, S. 305 : „Hephataner als Gastgeber und willkommener Gast!“.

RPP Lakonig

Das klingt faszinierend, kaum vorstellbar, aber durchaus glaubhaft. Gab es Konzeptionen des Lernens für sogenannte „Bildungsunfähige“, für aus der Ordnung Herausgefallene, „Fürsorge-Erziehungs-Hilfebedürftige“, nicht zuletzt für „geistig behinderte, ertaubte, erblindete Menschen“?
W o d u r c h gelang die Inklusions-Brücke?

Prof. Dr. E. Schuchardt

Ja, Schuchard, der Pädagoge von Gottes Gnaden, erfand unendlich vielfältige Kreativ-Modelle gelebter Integration/Inklusion. (TV 57 ● Bild ILL+ F, Band II, S. 82, S. 804, u. S. 830 –`Trommler-Pfeiffer-Garde`).

Erstens, die Schubkarren-Garde, einsatzbereit auf Abruf für Nah und Fern, d.h. je nach Körpergröße individuell angepasst, verfügte jeder Hephataner über seine Schubkarre, mit der er, seiner Kraft angemessen, Transporte leisten konnte.
Unwichtig, ob eine Handvoll Äpfel oder ein ganzer Zentner Apfelsack. So erhielt jeder seinen Arbeitsplatz und konnte in Hephata selbst oder auch in der Gemeinde, außerhalb, heute würde man sagen „geleased“, / angeheuert werden.

Zweitens, die Trommler-Pfeiffer und Trompeter-Garde: (TV 57 ● Bild ILL+ F, Band II, S. 82, S. 804, u. S. 830 –`Trommler-Pfeiffer-Garde) ebenfalls einsatzbereit per Telefon Call; nach heutigem Motto der Schul-Musik, Modell NRW, würde man sagen: „Jedem sein Instrument“. So musizierte jeder Hephataner entsprechend seinen Talenten auf einer Mundharmonika, Trommel, Pfeife oder Trompete, möglicherweise gar mit einer Handglocke zur Freude und Gestaltung von Festen inner- und außerhalb Hephatas nach dem Leasingprinzip.

Drittens gab es den Hand-Glocken-Chor, (TV 58 ● Bild V, Band II, S. 187)

der ebenfalls nicht nur im Gottesdienst, sondern auch außerhalb in Gemeinde und Stadt eingesetzt wurde.

Viertens, Schuchards Besucher-Dialog-Modell: vom Zooeffekt zur Partnerschaft:
Vom Hephataner-Besichtigungs-Objekt ‘Zoo-Effekt‘ bzw. komplementär vom Besucher-Besichtigungs-Subjekt ‘Zuschauer‘ transformiert zu gleichberechtigt wechselseitigen Dialog-Partnern: B e i d e werden Voneinander-Miteinander-Lernende wie Gebende und Nehmende, Schenkende und Empfangende, Gastgeber und Gast; erinnert sei an die Transformation, die Kaiserin Auguste Viktoria bei ihrem Besuch in Hephata erlebt, nachlesbar unter Kaiserinnen-Umkehr-Geschichte Auguste Viktorias im Schuchard/t Archiv Digital).

Fünftens, Schuchards Lebensgemeinschafts-Fortbildungs-Modell: (TV 59 ● Bild ILL, Band II, S. 144 – Schuchards ‚Heilungs-Konzeption-PAS‘)

Schuchards Vision der „vollen Teilhabe“ war die Achse, um die sich die zahlreichen Fortbildungen drehten. Es war für alle Hephataner und Mitarbeiter zu Kongress-, Fortbildung und Seminarzeiten selbstverständlich, ihr Bett gegen einen Strohsack einzutauschen und die Fortbildungszeit „hautnah“ zu teilen. Kein Seminar-Gast verließ die Begegnungs-Oase Hephata zur externen Übernachtung, die Seelsorge hatte unendlichen Raum, alle gestalteten und erlebten gemeinsam Gottesdienste, Andachten, Festveranstaltungen, Mahlzeiten und Rahmenprogramme; fühlten sich tief bereichert von der Hephata-Familien-Gemeinschaft –

Sechstens, Schuchards Patenschafts-Modell als Heilungs-Konzeption – P A S:
Patenschaften leben, Aufgaben lösen, sich weiterbilden
(TV 60 ● Bild ILL, Band II, S. 144 – Schuchards ‚Heilungs-Konzeption-PAS). Hephataner und schwerstverwundete Soldaten als Lehr-, Lern- und Lebensgemeinschaft. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Hephata Lazarett, konzipierte Schuchard sein Heilungskonzept. Er sah die Not angeblich „bildungsunfähiger“ Hephataner ebenso wie die Verzweiflung lebensentmutigter schwerstverwundeter Kriegs-heimkehrer.
Er erkannte, dass das, was beide brauchten, die Suche nach einem Sinn war, nach Gebrauchtwerden vom Mitmenschen und dem Wunsch, Mitgestalter und Mitarbeiter sein zu können. Also stiftete Schuchard ‘Patenschaften’: Jeweils zwei Hephataner wurden zu Paten für einen Lazarett-Soldaten, sowohl Freund als auch Feind, ernannt. Diese fürsorgliche Begleitung, wie zum Beispiel Blumen bringen, Lieder singen, Überraschungen ausdenken, das Essen anreichen, Fragen stellen, Geschichten erzählen, Dialoge erfinden, Puppentheater spielen usw., erweckte in den Kriegsopfern den fast versiegten Lebensmut der Soldaten und mehr als das, auch ihr Interesse und mehr und mehr die wachsende Freude daran, selbst wieder Wünsche Anderer erfüllen zu können, nicht zuletzt das Bedürfnis, zunehmend wieder verantwortlich für Andere da sein zu wollen, d.h. zuversichtlich ins Leben zurückkehren zu wollen.
Kaum vorstellbar (TV 61 ● Bild V+G, Band II, S. 86 und S.615),

entwickelte sich daraus fast von alleine während der Lazarett-Zeit Hephatas `inoffiziell` die „Erste Volkshochschule in Hessen“, gefolgt von der `offiziellen` Gründung, s. Veröffentlichung: „Die ländliche christliche Volkshochschule

Siebentens, Schuchards kreativer Aufbau von Förder-, Lehr- und Lernstätten in Vorschulen, Schulen, Ausbildungseinrichtungen und Werkstätten.
Es versteht sich fast von selbst, dass, wo kein Geld vorhanden ist, alle Arbeit autonom selbst geleistet werden muss. So entwickelte Hephata Einrichtungen aller Handwerkszünfte:
(TV 62 ● Bild F 1.- 4., Bd. II, S. 814 bis 818 —
1.Korbmacherei, 2. Bürstenbinderei,
3.Schusterei, 4.Schneiderei
) (TV 63 ● Bild F 5.-8. Bd. I, s.814-818, 5. Schreinerei, 6. Schusterei, 7. Tischlerei, 8. Gärtnerei)

(TV 64 ● Bild F 9.- 12., Bd. II, S. 814 bis 818,
9. Kochsaal, 10. Landwirtschaft,
11. FEH-Zöglinge/ Geldboten, 12. Tierzucht
)

Desgleichen schulische Einrichtungen:
(TV 65 ● Bild F., Band II, S. 800 / 820 – Bildungseinrichtungen: Vorschulen, Schulen und Lehrwerkstätten)

Vorschulen, Schulen, Lehrwerkstätten in eigener Verantwortung. Schließlich berichtet Schuchard sogar schon über erste Schritte des integrierten Unterrichts in der Normalschule der Treysaer Ortsgemeinde.

RPP Lakonig

Darf ich mal eben unterbrechen? Meine Zuseher würde natürlich brennend interessieren, wie an diesem Ort für „Bildungsunfähige“ und „aus der Gesellschaft verstoßene Kinder und Jugendliche“ schon vor 130 Jahren Erfolgsgeschichten, geschrieben werden konnten, welche eine solch nachhaltige Wirkung zeigten.
Haben Sie bei Ihrem Quellen-Studium etwas darüber gefunden,
für wie lange Zeit der Augenblicks-Anstoß an Dauer gewinnen konnte?

Prof. Dr. E. Schuchardt

Diese Frage ist verführerisch, es fällt mir wirklich schwer, aus der Materialfülle angesichts der knapp bemessenen Zeit nur zwei, drei aussagekräftige Beispiele herausgreifen zu können. Wie bereits gesagt, sind Schuchards „Geschichten und Bilder aus Hephata“ im Archiv Digital eine wahre Schatzgrube. Ich schlage den Bogen von Schuchards Liebling, dem Rettungshaus Pniel, von der Geschichte eines Pniel-Jungen und eines Pniel-Mitarbeiters, ehemaliger Kriegssoldat, fahre fort mit dem legendären Kaiserbesuch Auguste Viktorias zur Kirchweihe mit ihrer berührenden Umkehr-Erfahrung und schließe mit dem Sohn des Zigeunerkönigs, dem Pniel-Jungen Jeromin sowie dem ‘Schuchard-Verzicht/Opfer-Modell’ der Gossner Mission Berlin.

Es ist kein Zufall, Hermann Schuchard hatte insgeheim – aber nicht bevorzugt – ein Lieblingskind, das Rettungshaus seiner Pniel-Jungen, von der Gesellschaft verstoßener, krimineller Jugendlicher, aus denen zum Teil schon Gefängnisinhaftierte, Straffällige, Exkludierte geworden waren. Schuchard hatte sie aus der kasernierten Verwahrung befreit und ihnen im abgelegenen Mühlengrund einen neuen Ort der Hephata-Heimat geschaffen.

Dort erlebten sie – oft zum ersten Mal – die Regeln des miteinander Zusammenlebens. Sie lernten – oft noch Analphabeten – das Interesse am Lesen- und Schreiben- Lernen-Wollen und eroberten sich u.a. als beste Heidelbeerpflücker im Akkord den Lorbeerkranz, wurden zu stolzen Dichtern mit ihrem berühmt gewordenen ‘Heidelbeer-Lied’ und gründeten eine eigene Bühne, auf der sie im provozierenden Theaterspiel ihre Probleme darstellten und lösen lernten; dort kehrte der brillante Geschichtenerzähler Schuchard zu seiner Erholung oft ein.

Bevor ich jetzt die Geschichte des mutmaßlichen Geldräubers Jeromin erzähle, vorab ein kleiner Einschub über den langjährigen Pniel-Mitarbeiter Gottlob Jourdan. (TV 66 ● Bild V+F, Band I, S.104 und Band II, S. 972)

-Gottlieb Jourdan, ehem. Soldat, Bruder, Diakon). Beeindruckend ist seine Lebens- und Lerngeschichte, zuletzt als Direktor der Diakonie-Ausbildungsstätte Hephata.

Er kam als sterbender, kriegsverletzter Soldat an die Pforte des Hephata-Lazaretts. Trotz Überfüllung öffnet der Vater Schuchard ihm das Tor, er erkannte die letzten Sekunden zur Lebensrettung. Noch im Operationsraum fragt Jourdan mit Blick auf das Kreuz den ihn begleitenden Schuchard: „Wo bin ich hier, ist das eine Kirche?“ Worauf Schuchard antwortet: „Ja, Sie sind geborgen in Gottes Hand.“ Nach endlosen Monaten zahlreicher Rückfälle gratuliert ihm Schuchard zum Geburtstag und lädt den noch siechenden, leidenden, körperbehinderten Jourdan ein: „Sie können bei uns bleiben!“ – „Das kann ich niemals. Ich kann doch gar nichts mehr geben!“ „Wenn Sie es wollen, helfe ich Ihnen dabei! Sie können bei uns in Hephata alles lernen!

Das war der Beginn seiner Erfolgsgeschichte: Gottlob Jourdan setzt sich neben die vorgenannten kriminellen Pniel-Jungen auf die Schulbank, um besser lesen und schreiben zu lernen, findet dort Kameraden, wird Mitglied der Hephata-Bruderschaft, absolviert die Diakonenausbildung, später die Lehrerakademie und war am Ende nicht nur der Leiter des Pnielhauses, sondern der gewählte Direktor der Diakonen-Ausbildungsstätte und der Bruderschaft.

Es war dieser Gottlob Jourdan (TV 67/TV 68 ● Bild V,Band II, Titelbild. u. S.977 /978)

– „Lebensbild Hermann Schuchard“), der 1968 Schuchard zu dessen 100. Geburtstag mit seiner Biografie ein Dankesdenkmal setzte.
Als ich dann im Rahmen meiner Recherchen den Enkel Jourdans, Martin, entdeckte, eröffnete er mir für diese Studie das Tagebuch seines Großvaters Gottlob, transkribierte und digitalisierte es für diese Forschungsarbeit: Martin lebt, für jeden ersichtlich, noch heute gedanklich im Hephata seines Großvaters, siehe Schuchard/t Archiv Digital: 1968 Gottlob und 2023 Martin Jourdan.

Zurück zu Schuchards Pniel-Jungen. Jede freie Minute erzählte er ihnen – oft begleitet von seinen sechs Kindern – eine unendliche, oft über Monate andauernde, jedes Detail genau erinnernde, selbst erfundene Geschichte. (TV 69 ● Bild V, Band II S. 74/75).

Als ein brillanter Erzähler und Erfinder von Geschichten, reicherte er sie an mit Fakten und Problemen aus Hephata und der weiten Welt, um die Pniel-Jungen vom krummen auf den geraden Weg zurückzuführen. Er war ein Pädagoge von Gottes Gnaden, ein Geschichten-Erzähler für Groß und Klein. Von dieser Begeisterung des Geschichtenerzählens berichten eine Generation später die erwachsen gewordenen Kinder der Hephata-Direktoren (TV 69 ● Bild V, Band II S. 74/75) ; es sind Geschichten, die unter dem dritten Nachfolger Schuchards, Biskamp, unter dem Titel „Kindergeschichten“ auch im Schuchard/t Archiv Digital veröffentlicht sind.

Unvergessen anschaulich berichten und schreiben darin Schuchards Tochter Laura und Sohn Karl über den Besuch der Kaiserin Auguste-Victoria zum Kirchweihfest 1906. (TV 70 ● Bild F+V, Band II, S. 839 – Einweihung des Kaiser-Geschenks)

Sie schildern einerseits ihre Aufregung, in ihrer Schwalmer Tracht mit dem Haar-Häubchen vor der Königin zum Empfang ihr eigenes Gedicht vorzutragen zu dürfen, vom festlichen Einzug des kaiserlichen Zweigespanns in die Stadt (V), zum anderen von dem Verbot der Mutter Amalia, auf gar keinen Fall der Kaiserin in die ‘Halle für alle’ zu folgen (TV 71 ● Bild F+G, Band II, S. 846 / 847),

da der mangelnde Platz allein den Gästen aus aller Welt vorbehalten wäre, und dann von den entsetzten Blicken der Mutter Amalia, als die Kaiserin ihr, der Tochter Laura, vom verbotenen Buffet als Anerkennung für ihre große poetische Leistung zwei kostbar belegte Festbrötchen, in jede Hand eines, legt und nach der Aufführung des Tanz-Reigens (TV 72 ● Bild V+F, Band II, S. 841 Reigen)

auf Wunsch der Kaiserin diese in das Haus der elendsten Bewohner begleiten darf. Wie dann dort unfassbar ergriffen die Kaiserin ein geistig behindertes, zugleich blindes wie taubes Kind in ihren Armen hält, das dann während ihrer berührenden Liebkosungen zum Lächeln erstrahlt und seinerseits die Kaiserin liebkost. Da bricht die Kaiserin in Tränen aus, nimmt ihre kostbare Brosche ab, legt sie dem Kind in die Hand – unvorstellbar wurden b e i d e zu wechselseitig Beschenkten und Schenkenden. Die Kaiserin hatte den UmkehrProzess vollzogen: Sie als ‘gebender’ Gast wurde unerwartet zur ‘beschenkten’ Kaiserin, wie umgekehrt das ‘empfangende’ Kind aus Hephata zur ‚gebenden’ Schenkenden geworden war. Wir erinnern uns an Schuchards Wort: „Es ist die Liebe, die heilt!“ und „Es gibt eine Angel, um welche die sich alles Glück dreht, die heißt Dankbarkeit.“

Schlagen wir den Bogen zurück zur Entwicklung des eingangs genannten Pniel-Jungen Jeromin, des Sohnes des berühmt-berüchtigten Zigeunerkönigs (TV 73 ● Bild V Band II, S. 596 / 597 — Schuchard-Fazit: „Geschichten u. Bilder aus Hephata II).

Auch er erlebte als Vorverurteilter im Mühlengrund seine Umkehr, seine Weichenstellung auf einen geraden Weg. Es war Schuchards Empfangsritual, die neuen Mitglieder der Hephata-Familie in ihrer neu gewonnenen Freiheit ganz persönlich willkommen zu heißen und sie mit den Grundsätzen seiner Segens-Schule vertraut zu machen: Erster Grundsatz ‘Vertrauen’: „Ich vertraue Euch und nehme Euch auf in unser aller Hephata-Zuhause! Ich vertraue Euch, dass Ihr mit mir an der Hand Gottes Euren neuen geraden Weg schaffen werdet! Ich vertraue Euch darum auch ganz genau den direkten Fluchtweg aus Hephata zurück in die Stadt an, die Entscheidung liegt allein bei Euch! Ich vertraue Euch des Weiteren auch die Geldbeträge unserer Verdienste an, die Ihr ins Stadthaus überbringen sollt.
Ich vertraue Euch! Meine Tür steht Euch jederzeit offen, wenn Ihr Euch mir anvertrauen wollt.

Als dann der berüchtigte Jeromin: (TV 74 ● Bild ILL+F+V, Band II, I S.79—Schuchards Vetrauens-Bonus`)

vom Geldtransport nicht zurückkehrte, kochte die Gerüchteküche. Unterschwelliger Hohn über moderne Erziehungsprinzipien der Segens-Schule verschaffte sich breiten Raum. Schuchard aber hielt bedingungslos, unbeirrt an seinem Vertrauen fest. Und dann geschah es: Da stand Jeromin, der Pniel-Junge, plötzlich vor ihm: „Da bin ich wieder. Ich werde doch mir vom Vater geschenktes Vertrauen nicht missbrauchen!

Und das sind nur drei von unendlich vielen Geschichten aus über 1000 Dokumenten im Schuchard/t Archiv Digital, das seit 1988 auf 1400 Seiten angewachsen und rund um die Uhr zugänglich ist!

Wer sie gelesen hat, kann herzlich gerne einen Kommentar hinterlassen, unter www.schuchard-inklusionskirche-hephata1894.de auf der Hephata-Webseite „Diakonie sind wir„. Ich freue mich über jedes einzelne ‘User-Echo’:

Mein Wunsch: Bleiben oder werden Sie ein Freund der Menschen, die als abgestempelt und stigmatisiert darauf warten, neu von uns entdeckt zu werden. Dazu ist uns die Schöpferkraft des Sehens geschenkt: Diakonie sehen lernen – neu erkennen:
Diakonie sind wir – Du und Ich!

Ich komme nochmals zurück auf den bereits erwähnten TV-Slogan: „Nur mit dem Zweiten sieht man besser“, was so viel bedeutet wie: Ein Auge allein sieht eben nur e i n-seitig, also nur die die Hälfte, aber niemals b e i d -seitig, nie das Ganze.
Was also auf den ersten Blick als scheinbar gegensätzlich, unvereinbar, sinnlos erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick, aus erweiterter, komplementärer Perspektive als neue Welt, neues Sehen, neue Kraft zu innovativer Zukunftsgestaltung:
Ich sage es nochmal: „Diakonie sind wir!

Schuchards `Segens-Schule` lehrt uns also Folgendes:
Man muss nur lernen, aus dem Gefängnis der Selbstbetrachtung die Türen zu öffnen für den Blick auf den Anderen, dann erweist sich jede Krise als ein Neuanfang, als eine Chance, als ein verborgener Reichtum.
Oder mit dem Leitwort meiner Mutter (TV 75 ● Bild F+G+V, Band I, S. 45- – „Christian entdeckt den Gnadenstuhl: Mama ist doch nicht allein!“):

Woll‘st Du für jede Freud Gott Dank erst sagen,
Du fändest keine Zeit, Dein Leid zu klagen.

Hermann Schuchard starb 1923 nach fast 30 Hephata-Aufbaujahren im Alter von 55 Jahren (TV 76 ● Bild, ILL.+V, Band I, S. 90/91 Schuchards Heimgangsbrief)

– sein Abschiedsbrief und zahlreiche Nachrufe, Briefe und weltweite Würdigungen unterstreichen das Zeugnis seines Nachfolgers Fritz Happich:

Alle die ihn umgaben, erstrahlten im Licht des Heimgegangenen…
Immer größer wurde der Gottesfriede… und die selige Verklärung…
– wie sie es noch nie zuvor erlebt hatten.

Entlang der Dankesbäume der Friedensallee (TV 77 ● Bild F+V, S. 92 und 93),

unter dem Klang der Musik-Garde und der mit Blumen gefüllten Schubkarren-Garde begleiteten alle Hermann Schuchard als ihren ‘Bruder unter Brüdern’ zur letzten Ruhe auf den Bruderfriedhof.

Ein Jahrhundert später entdeckt das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW) (TV 78 ● Bild F+V+G, Band I, S. 292)

unter Ministerialdirigent Dr. Axel Vulpius „Hermann Schuchard als Vorreiter der Inklusion“ und zeichnet sein ‘Hephata-Vor-Modell’ als ‘Bundes-Modell-Projekt’ aus, dokumentiert vom ZDF (TV 79 ● Bild F+G+V, Bd. II, S. 824 /825)

– Das ZDF dokumentiert Hephata als „Bundes-Modell-Projekt“) in der Sendung „An-Stöße! – Kann man soziales Lernen lernen?“ bereits zukunftsweisend untertitelt: „Müssen nur Menschen mit Behinderung soziale Integration lernen?“ gemäß seinem, von mir aus gutem Grund mehrfach bemühten Logo „Nur mit dem Zweiten sieht man besser!

Und jüngst dann, 2024, dokumentiert das Hessische Institut für Kinder- und Jugendhilfe (TV 79 ● Bild F+G+V, Bd. II, S. 824 / 825) in seinem Quint-Handbuch: „Hephata – Die Wiege der Inklusion!“ – und das schon 130 Jahre vor der UN-Behinderten-Rechts-Konvention.

RPP Lakonig

Verehrte Autorin, liebe Frau Prof. Dr. Schuchardt,
wir haben den Bogen über 130 Jahre geschlagen:
Vor 130 Jahren begann Hermann Schuchard sein Amt in Hephata, ein Jubiläum ! (TV 80 ● Bild G+F+ILL, Band I, S. 114/115 – Jubiläen: „175 Jahre # Diakonie aus Liebe“ 2023 und „130 Jahre Amtsantritt Hermann Schuchard Hephata – Vorreiter der Inklusion“)

Und wenn Sie, liebe Zuschauer etwas mehr wissen und kommentieren wollen, dann finden Sie unter dem Link:
www.schuchard-inklusionskirche-hephata1894.de
noch viel mehr und dort eine Rubrik `User-Echo`.

Vielen Dank !